Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert

Hannah Arendt, Literatur, Geschicht

Im Juni 2020 war ich in Berlin. Auslöser war ein Facebook-Post von Véronique Faber im Mai, der mich auf die Hannah Arendt Ausstellung im Historischen Museum aufmerksam gemacht hat.

An einem heißen Juni-Tag ging ich also voller Vorfreude mit meiner guten Freundin Yvonne Küpper in die klimatisierte Ausstellung. Im Zentrum der Ausstellung stand nicht das Werk Hannah Arendts mit ihren Veröffentlichungen und ihren Theorien, sondern vielmehr ihr Blick auf zentrale Geschehnisse und Ereignisse des 20. Jahrhunderts.

Kurz vor dem Ausstellungsbesuch habe ich die fabelhafte Graphic Novel „Die Drei Leben der Hannah Arendt“ von Ken Krimstein gelesen, die mir von Mithu Sanyal empfohlen wurde.

Überhaupt wurde meine Corona Zeit stark von Hannah Arendt geprägt. Nach Jahren habe ich endlich ihr Werk „Macht und Gewalt“ fertig gelesen (mich durchgeackert trifft es wohl eher). Und auch ihre Essaysammlung „Menschen in finsteren Zeiten“ habe ich in dieser Zeit gelesen.

"Das war wirklich, als ob der Abgrund sich öffnet…"

Die Ausstellung war insgesamt und wenig überraschend eher textlastig, ergänzt durch Video- und Audiobeiträge, aber auch persönliche Gegenstände Hannah Arendts.

Besonders gut gefallen haben mir die Porträts ihrer zahlreichen Freund*innen. Freundschaft hatte einen ganz zentralen Stellenwert in ihrem Leben. Ich kann es kaum erwarten mich näher mit ihren zahlreichen Briefwechseln zu befassen.

Ihrer Beziehung zu Martin Heidegger und ihren zwei Ehen mit Günther Stern und Heinrich Blücher wurde kaum Platz eingeräumt, was ich eigentlich sehr sympathisch finde - Frauen werden noch immer zu oft über ihre Männer oder durch deren Perspektiven dargestellt.

Ehrlich überrascht haben mich ihre Aussagen über Feminismus und Geschlechterrollenbilder. Sie hat keinen Hehl daraus gemacht keine Feministin zu sein und die Frauenfrage auch nicht weiter interessant zu finden. Gleichzeitig sagt sie, dass sie sich aber noch keine Gedanken darüber gemacht hat und deshalb nicht weiß, ob sie Recht hat mit ihrer Einschätzung.

Der Bibliotheksshop lässt sich wohl besser als Arendt-Bücher-Himmel beschreiben. Ich habe mir das Buch zu Ausstellung gekauft, eine Sammlung von Essays, die ihrem Blick auf das Zeitalter totaler Herrschaft, Antisemitismus, die Lage von Flüchtlingen, die Erblasten der Nachkriegszeit, den Eichmann-Prozess, das politische System und die Rassentrennung in den USA, Zionismus, Feminismus und Student*innenbewegung folgen. Ein tolles Buch mit zum Teil sehr guten Artikeln, aber auch tollen Bildern und Dokumentkopien. Besonders hervorzuheben sind der Artikel von Thomas Meyer über Arendts Denken über Flüchtlinge und Menschenrechte, der Exkurs von Antje Schrupp über das Urteilen und der Artikel von Ursula Ludz über Arendts Freund*innenschaften.

Meine Faszination von Hannah Arendt - welche mich seit meines Bachelorstudiums* begleitet - bleibt weiterhin ungebrochen. Als nächstes werde ich ihre Biographie über Rahel Varnhagen lesen, aber auch mit ihren Gedichten will ich mich noch näher befassen.

*Damals hat Prof. Wolfgang Müller-Commichau mir nach einem persönlichen Mentoring-Gespräch empfohlen den Briefwechsel zwischen Hannah Arendt und Heinrich Blücher zu lesen, der sich für mich gewissermaßen als Offenbarung entpuppt hat.